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Häufig gestellte FragenHier finden Sie häufig gestellte Fragen zum Thema Tazkira Was tun, wenn man eine Tazikra verloren hat?
Stellungnahme zur Beschaffung einer neuen oder verlorenen afghanischen TAZKIRA vom Ausland aus Rechtsanwältin Maria Kalin, München Die Tazkira dient afghanischen Staatsangehörigen häufig als Ersatz für eine Geburtsurkunde und Identitätsnachweis. Zudem stellt sie einen Nachweis des Familienstammbaumes dar. Die Tazkira beinhaltet Informationen über den Wohn- und Geburtsort bzw. den Ort, aus welchem der Vater stammt, den Beruf und einen möglichen Militärdienst sowie Angaben zu Familienangehörigen. Es handelt sich dabei nicht um einen Ausweis in Form einer Karte oder ein heftartiges Dokument wie einen Pass, vielmehr ist die Tazkira zumeist ein loses Blatt dünnen Papiers mit angetackerten Fotos und Stempeln. Die Angaben sind zumeist von Hand eingetragen. Ohne eine Tazkira ist es nicht möglich, bei den afghanischen Auslandsvertretungen in Deutschland einen Pass zu erhalten. Obwohl Tazkiras von Behörden und Gerichten als unzuverlässige Informationsquelle angesehen werden, wird deren Beschaffung verlangt, vgl. OVG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 29.09.2014, Az. 12 B 923/14: „Nach den Informationen des Auswärtigen Amtes kursieren in Afghanistan echte Dokumente unwahren Inhalts in erheblichen Umfang. Pässe und Personenstandsurkunden werden von afghanischen Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Die Ursachen hierfür liegen in einem nach Jahrzehnten des bewaffneten Konflikts lückenhaften Registerwesen, mangelnder administrativer Qualifikation und weitverbreiteter Korruption. Unter diesen Bedingungen gibt es kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten, wobei hinzukommt, dass Tazkiras sehr einfach gefälscht werden können", vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 31. März 2014, S. 22. 1. Eine Tazkira in Deutschland erhalten Es ist nicht möglich, eine Tazkira im Ausland ausgestellt zu bekommen. Afghanische Auslandsvertretungen sind, auch nach Auskunft des Auswärtigen Amtes, nicht befugt, Tazkiras auszustellen. 2. Eine Tazkira in Afghanistan persönlich besorgen Eine Tazkira muss beim Amt für Meldewesen (Population Registration Department oder Passport Department oder Passport Office) beantragt werden, dieses untersteht dem Innenministerium. Dieses Amt hat Büros auf Provinz und Distriktebene. Für die Ausstellung sind die Behörden am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort auf Distriktebene zuständig. Bei im Ausland geborenen afghanischen Staatsangehörigen richtet sich die Zuständigkeit nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Vaters bzw. Großvaters. Dort werden die Daten der antragstellenden Person in das „Ketab Assas“ eingetragen, ebenso in Datenbanken oder –bücher in den jeweiligen Provinzhauptstädten und in Kabul (Registration of Population Records and National Identity Card – Datensatz, dort werden Fotografien bereits ausgestellter Tazkiras dokumentiert). Der Antrag muss schriftlich gestellt werden. Ab dem 7. Lebensjahr von jeder Person, zuvor ist eine Eintragung bei den Eltern möglich. Dem Antrag sind mehrere Passfotos und die Tazkiras zweier männlicher Verwandter (etwa Vater, Bruder, Onkel, Cousin) beizulegen, teilweise genügt die Vorlage der Tazkira nur eines Verwandten. Sollten keine zwei Tazkiras Verwandter vorgelegt werden können, wird ein Distriktvertreter (Malik) oder eine andere honorige Person der Heimatgemeinde (z. B. der Bürgermeister oder Mullah) kontaktiert, um die Abstammung und Identität der antragstellenden Person zu bestätigen. Die Bestätigung wird durch Unterschrift und Stempel bestätigt. Die Tazkira ist persönlich abzuholen. Eine Beantragung in Kabul, wenn dies nicht die Herkunftsprovinz ist, gestaltet sich schwierig, wenn es sich um eine erste Beantragung handelt und in Kabul keine Daten zur antragstellenden Person vorliegen. Bei der Beantragung beim Amt für Meldewesen in Kabul, ist zunächst eine Geburtsurkunde vorzulegen. Ist eine solche nicht vorhanden, muss die Tazkira eines männlichen Verwandten vorgelegt werden. Wird die Identität danach für weiterhin ungeklärt erachtet, bleibt nur ein Antrag am Heimatort der antragstellenden Person, persönlich oder durch Verwandte. In der Regel muss die Identität der Person und des Verwandten dann durch den Dorfvorsteher (Malik) bestätigt werden. Die Bestätigung wird dem Distriktgouverneur vorgelegt, der dann die Tazkira ausgestellt. Frauen benötigen zur Beantragung der Begleitung eines männlichen Verwandten. Haben Frauen keine männlichen Verwandten oder wollen diese nicht, dass die Frau eine Tazkira erhält, kann die Betroffene keine Tazkira erhalten. 3. Eine Tazkira in Afghanistan von einem Vertreter besorgen lassen Es ist äußerst strittig, ob eine Tazkira ohne ein persönliches Erscheinen der antragstellenden Person in Afghanistan offiziell möglich ist. So geht die schweizerische Flüchtlingshilfe in einer Stellungnahme vom 11.02.2016 davon aus, dass das afghanische Gesetz eine Vertretung nicht zulasse. Auch der kanadische Immigrations- und Flüchtlingsausschuss kommt zu dem Ergebnis, dass eine Tazkira nur persönlich beantragt werden kann. Gerade in den Provinzen sei die Umgehung des Gesetzes jedoch möglich, wenn man gute Beziehungen zum Amt für Meldewesen habe und zumeist zudem Bestechungsgelder zahle. Nach der beiliegenden Stellungnahme des afghanischen Generalkonsulates scheint eine Beantragung vom Ausland aus über Verwandte auch halb-offiziell möglich. a) Vertrauensanwälte Bereits die Kontaktaufnahme zu Vertrauensanwälten gestaltet sich schwierig. Die deutsche Botschaft in Kabul benennt drei Kanzleien und Wirtschaftsberater. Die einzige Kanzlei, welche auf unsere Anfragen bislang geantwortet hat, ist Motley Legal. Die in Kabul seit Jahren tätige Kanzlei hat ein Informationsschreiben verfasst, welches dieser Stellungnahme beiliegt. Nach Auskunft der Kanzlei Motley ist es nicht möglich, über einen Vertrauensanwalt eine Tazkira zu beantragen oder ausgestellt zu bekommen. Es sei nach dem Wissen der Anwälte überhaupt nicht möglich, ohne persönliche Vorsprache in Afghanistan eine Tazkira zu erhalten. Dies deckt sich auch mit den Erfahrungen deutscher Anwältinnen und Anwälte, die selbst oder deren Mandanten bereits andere afghanische Anwälte beauftragt haben. Trotz der Zahlungen erheblicher Geldsummen konnte keine einzige Tazkira über einen Vertrauensanwalt besorgt werden. Die ebenfalls benannte Kanzlei Kawun Kakar verlangt einen Vorschuss von 1.500,- € für die Beschaffung einer Tazkira, zudem muss eine Vollmacht übersandt werden. b) Verwandte Hat eine in Deutschland lebende Person noch Verwandte in Afghanistan oder solche, die dorthin reisen können, lässt sich in Einzelfällen eine Tazkira besorgen. Dies ist nach afghanischem Recht nach herrschender Meinung zwar unzulässig, praktisch zumindest jedoch möglich. Sprechen Verwandte am letzten Aufenthaltsort der sich nun in Deutschland befindlichen Person vor, oder an dem Ort, an welchem sich dessen Eltern zuletzt aufhielten, kann es unter Umständen sein, dass die Gemeinde- oder Distriktvorsteher, eine Tazkira ausstellen. In diesen Fällen sind die Verwandten mit einer entsprechenden Vollmacht und Passfotos der antragstellenden Person auszustatten. Zudem sind alle Unterlagen, Fotos, Zeugen und Hinweise hilfreich, die die Herkunft der antragstellenden Person belegen können. In einem Fall reiste ein Onkel aus Pakistan nach Afghanistan in den Herkunftsort der Eltern des außerhalb von Afghanistan geborenen Antragstellers. Der sich in Deutschland befindliche Antragsteller wurde sodann vom Bürgermeister des Herkunftsortes seiner Eltern per Skype befragt. Nachdem sich der Bürgermeister von der Identität des Antragstellers überzeugt hatte, wurde eine Tazkira ausgestellt. Diese versandte der Onkel von Pakistan aus nach Deutschland. Nach Auskunft des afghanischen Generalkonsulates in München ist die Beantragung einer Tazkira durch Verwandte möglich. Die Kosten einer Beglaubigung durch das afghanische Ministerium belaufen sich in diesen Fällen auf etwa 500,- € (Kauf der Beglaubigung), die Beantragung dauert etwa sechs Wochen. In den Fällen, in denen die Verwandten in Kabul vorsprechen können, ist sogar eine Antragstellung beim Generalkonsulat möglich. Zum Verfahren beachten Sie bitte die beiliegende Stellungnahme des afghanischen Generalkonsulats in München. 4. Verlorene Tazkiras Wer bereits eine Tazkira besessen hat, die jedoch verloren ging, muss den gleichen Aufwand betreiben wie bei einer Neubeschaffung. Duplikate werden nur erstellt, wenn der Verlust durch zwei Personen aus derselben Gegend bestätigt wird oder dieser durch die Massenmedien wie Radio und Fernsehen bestätigt werden kann. Die Ausstellung eines Duplikats ist zudem nur möglich, wenn die Tazkira zuvor in der Datenbank des Innenministeriums – Registration of Population Records and National Identity Card – erfasst wurde. Ein entsprechender Antrag auf ein Duplikat muss persönlich oder durch einen männlichen Verwandten mit Vollmacht gestellt werden. Häufig dürfte der Aufwand dem einer Neubesorgung entsprechen. 5. Zusammenfassung Eine Tazkira vom Ausland aus zu besorgen scheint nur möglich, wenn es vor Ort noch Verwandte gibt, die über gute Kontakte, möglichst am Herkunftsort der betroffenen Person, verfügen. Leben keine Verwandten mehr in Afghanistan oder sind im Ausland lebende Verwandte nicht bereit nach Afghanistan zu reisen, ist der Erhalt einer Tazkira unmöglich. Die Beschaffung einer Tazkira und damit eines Passes, dürften in diesen Fällen nicht zumutbar sein. Quellen ACCORD (Austrian Center of Country of Origin & Asylum Research and Documentation) - Anfragebeantwortung zu Afghanistan, 07.12.2016 Schweizerische Flüchtlingshilfe - Afghanistan: Tazkira, 12.03.2013 - Schnellrechereche Afghanistan: Antrag und Ausstellung einer Tazkira im Ausland, 11.02.2016 Immigration and Refugee Board of Canada - The issuance of Tazkira certificates; whether individuals can obtain Tazkiras while abroad, 16.12.2011 - Afghanistan: Requirements and procedures to obtain, renew and replace a biometric passport [...], 20.02.2017 Hinweis Diese Stellungnahme dient zum Informationsaustausch zwischen Anwältinnen, Anwälten und ehrenamtlich Helfenden. Die darin enthaltenen Informationen wurden nach bestem Wissen und Gewissen zusammengetragen, Anlagen kann ich gerne gesondert zumailen. Für eine Weiterentwicklung, weitere Hinweise oder Erfahrungsberichte können Sie sich gerne an mich wenden. maria.kalin@haubner-schank.de Stand 08. Mai 2017 Maria Kalin (Rechtsanwältin, Passau)
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